"Australopithecinen" waren Affen

Warum die fossile Affenart "Australopithecus" kein Vorläufer des Menschen ist.


Kind von Taung

"Das Kind von Taung", das Dart im Jahr 1925 fand.

Der Fund wurde der neuen Gattung "Australopithecus" zugeordnet.

Foto: http://de.wikipedia.org

1924 bekam Raymond Dart - er war ein junger Anatom der University of the Witwatersrand in Johannesburg - den einzelnen jugendlichen Schädel eines Wesens in die Hände. Dart schloß aufgrund seiner anatomischen Kenntnisse, daß das "Kind von Taung" - wie der Fund genannt wurde - als ausgewachsene Wesen im Stehen etwa vier Fuß hätte messen und die Gehirngröße eines Gorilla hätte haben müssen.[ 1 ] Dart publizierte seine Erkenntnisse am 7. Februar 1925 in der Fachzeitschrift Nature (Nature Band 115 (1925), S. 195-199 - Die Datei ist downloadbar) unter dem neuen Art- und Gattungsnamen "Australopithecus Africanus" ("südlicher Affe aus Afrika")[ 2a ].

Dank seiner ärztlichen, neuroanatomischen Ausbildung erkannte Raymond Dart sofort, daß das Fossil zwar ein affenähnliches Gesicht besaß, sein Gehirn und die Bezahnung jedoch menschenähnlich waren. Raymond Dart argumentierte, daß wichtige Merkmale des kleinen Schädels stärker menschenähnlich als affenähnlich seien: „Die Wangenbeine, die Jochbögen, Oberkiefer und Unterkiefer lassen zarte, menschenähnliche Charakteristika erkennen. Ähnliches gelte für das Gehirn, das gleichfalls mehr menschenähnliche als affenähnliche Merkmale aufweise: Das „Kind von Taung“ sei daher einzuordnen als Mosaikform, das heißt als Mitglied „eines ausgestorbenen Geschlechts von Affen, das ein Zwischenglied darstellt zwischen den Menschenaffen der Gegenwart und dem Menschen“. [ 2b ]

Als Dart 1925 seine Entdeckung bekanntgab, schloß sich die Welt der Anthropologie seinen Schlußfolgerungen, diese Kreatur stehe auf halbem Wege zwischen Mensch und Affe, nicht an. Der renommierte Sir Arthur Keith schlug vor, das Fossil in die Verwandtschaft der Gorillas und Schimpansen einzuordnen. Elliot Smith hielt Darts Schlußfolgerungen für voreilig und erbat weiter Informationen über den Fund. Der führende britische Paläontologe Sir Arthur Smith Woodward lehnte die Deutung Darts u. a. deshalb ab, weil dieser Fund bedeutet hätte, die Entwicklung zum Menschen habe in Afrika stattgefunden.[ 3 ]

Aber 1936 entdeckte der Zoologe und Anthrolopoge Robert Broom in Kromdraai (Südafrika) ein ausgewachsenes Exemplar von Darts Kreatur - den Australopithecus robustus (auch "Paranthropus robustus" genannt) - und bestätigte die früheren Schlußfolgerungen Darts. Von da an begannen die Anthropologen langsam, die Vorstellung zu akzeptieren, daß Darts Fossil ein Vorfahre des Menschen sei. [ 4 ]

Evolution Lucy klein

"Lucy", das Johanson 1974 in Hadar (Äthiopien) fand.

Der Fund wurde der neuen Art "Australopithecus Afarensis" zugeordnet.

Foto: http://de.wikipedia.org

Am 30. November 1974 wurde in Hadar, Äthiopien von Donald Johanson ein besonderer Konchenfund entdeckt, der unter dem Namen "Lucy" zur Weltberühmtheit gelangen sollte (D.C. Johanson & M. A. Edey, "Lucy" in Science 81, März 1981, S. 52). 1978 wurde der Fund einer neuen Spezies von Australopithecus zugeordnet. Auf einer Nobeltagung in demselben Jahr über frühe Hominiden wurde der Funde als eine neuen Spezies von Australopithecus nämlich "Australopithecus afarensis" vorgestellt. [ 5 ]

Johanson fand in Hadar außer "Lucy" noch Reste von mindestens 13 hominiden Individuen. In einer der ersten Veröffentlichungen (1976) darüber vertrat er die Meinung, daß hier Knochen von drei verschiedenen Arten (Homo, Australopithecus africanus und Australopiehtecus robustus) vorlägen, revidierte jedoch bald seine Ansicht und vertrat die Überzeugung, daß es sich um Reste einer einzigen Art mit überaus starkem Sexualdimorphismus handle (Männchen und Weibchen mit unterschiedlicher Morphologie, ähnlich wie, aber ausgeprägter als beim Gorilla). Er vereinigte seine Funde mit denen aus dem über 1000 km entfernten Laetoli, wo einige Kieferteile, aber auch Fußspuren entdeckt wurden, die um 0,75 Millionen Jahre älter datiert werden als das Fundmaterial aus Hadar. Diese neue Art Australopithecus afarensis stellte er in die unmittelbare Vorfahrenschaft von Homo und verdrängte damit Australopithecus africanus aus dieser Rolle. Johanson schrieb Australopithecus sowohl einen primitiven, d.h. affenähnlichen Schädelbau als auch die Fähigkeit des aufrechten Ganges zu und glaubt damit ein geeignetes Zwischenglied gefunden zu haben.[ 6 ]

Den aufrechten Gang des Australopithecus afarensis sollten auch die fossilen Fußspuren, die Mary Leakeys Mitarbeiter in der zu Gestein gewordenen vulkanischen Asche von Laetoli in Tansania fand, belegen.[ 7 ]

Auch ein Knochenfund (Kniegelenk: AL 129 - 1a+1b), den man 1972 in Hadar (Äthiopien) machte, soll den aufrechten Gang der Australopithecinen bestätigen. Ein Teil des Oberschenkel und ein Teil des Schienbeins bilden ein vollständiges Kniegelenk und sollen zeigen, daß diese Spezies aufrecht ging. Als man diese Knochen fand, konnte man sie zunächst keiner Spezies zuordnen, doch wurde sie später dem Australopithecus Afarensis zugeordnet.[ 8 ]

Seit 1990 wurden in Äthiopien wieder Grabungen vorgenommen werden, bei denen mittlerweile Überreste von mehreren hundert Australopithecinen geborgen wurden, von männlichen und weiblichen, Kleinkindern und Jugendlichen. Für Don Johanson sind diese vielen Funde an einem Platz ein Hinweis darauf, dass auch Australopithecus in Gruppen gelebt hat.[ 9 ]

Allerdings hat sich in der Zwischenzeit die Einschätzung dieser Knochenfunde drastisch gewandelt. Diese Gruppe von affenartigen Zwerge ist offensichtlich eine sehr komplizierte Affengruppe. Der Gehirnumfang und weitere Schädelkennzeichen sind deutlich affenartig. Der Grund, daß diese Gruppe lange Zeit in den menschlichen Stammbaum aufgenommen wurde, war vor allem, daß Dart und andere behaupteten, daß diese kleinen Individuen Feuer und Werkzeuge gebraucht und Wild gejagt hätten und also als primitive Menschen betrachtet werden müßten.[ 10 ]

Es waren vor allem Oxnards Studien (Nature, Band 258, S. 389ff "The Place of the Australopithecine in Human Evolution: Grund for doubts?"), die Zweifel am aufrechten Gang der Australopithecinen aufkommen ließen. Durch mathematische Analyse der Knochenformen konnte er zeigen, daß Australopithecus dem Affen viel ähnlicher sei als dem Menschen. Man hatte behauptet, Australopithecus sei aufgrund gewisser Hüftstrukturen wie der Mensch aufrecht gegangen. Oxnard demonstrierte, daß die Sprungbeinknöchel, die für das zweibeinige Gehen wesentlich sind, "sich von denen des Menschen stärker unterschieden als die (Sprungbeinknöchel) der afrikanischen Affen." Die afrikanischen Affen konnten somit nicht aufrecht gehen. Anscheinend konnte das auch Australopithecus nicht. Die Fußknochen des Australopithecus waren rekonstruiert worden, um an ihnen zu zeigen, wie menschenähnlich sein Fuß war. Oxnard legte dar, daß ein ähnlich unvollständiger Schimpansenfuß auf gleiche Weise hätte rekonstruiert werden können.

Die Hand des Australopithecus ähnelt in sieben Merkmalen der Hand verschiedener Affenau während sie - der menschlichen Hand nur hinsichtlich dreier Merkmale ähnelt. Oxnard stellt auch fest, das Schulterblattfragment, "das vor vielen Jahren als dem Orang Utan ähnlicher als jedem anderen Wesen beschrieben wurde (durch eine jüngste Studie bestätigt), werde trotzdem im allgemeinen bei Diskussionen als im wesentlichen menschlich vorgeführt." [ 11 ]

Inzwischen ist die evolutionäre Bedeutung dieser »Affen mit menschlichen Fähigkeiten« praktisch verschwunden, und zwar aus drei Ursachen:

(a) Diese Gruppe kann nicht zu den Vorfahren des modernen Menschen gehören, weil sie zu rezent lebte und zu spezialisiert affenartig war;

(b) verschiedene Forscher (Robinson, Mason, Leakey [Schädelfund[12]]) haben inzwischen zugestimmt, daß die Australopithecinen nicht einmal mehr als die ältesten Verwandten des Homo sapiens angesehen werden könnten, weil »menschlichere« Formen entdeckt worden seien, die gleichzeitig oder sogar früher gelebt hätten als diese affenartigen Zwerge;

(c) die Werkzeuge, die zusammen mit den Überresten dieser Zwerge gefunden wurden, stammen wahrscheinlich von diesen modernen Menschenformen; es scheint, daß diese Affen vielmehr selbst das Wild waren und nicht die Jäger. [ 13 ]

Wenigstens drei Hauptmerkmale definieren die Gattung homo (Mindestkriterien):

1. Aufrechter Gang
2. Werkzeugherstellung
3. Gehirnentwicklung und Sprache

Gemäß der Evolutionsvorstellung müssen sich diese Merkmale in den vermuteten Vorfahren des Menschen herausgebildet haben.

Zu 1.: Ganz entgegen der allgemeinen Schulbuchmeinung hat sich die Auffassung gewandelt, daß die Australopithecinen einen rein menschlich-aufrechten Gang besaßen. Inzwischen gehen die Experten davon aus, daß Australopithecus eine mehrheitlich auf Bäumen, zuweilen auch auf dem Boden lebende Form war.

Zu 2: Keiner Australopithecinenform konnte bisher eindeutig Werkzeuggebrauch zugeschrieben werden, obwohl man annehmen kann, daß, ähnlich den heutigen Schimpansen, ein einfacher Gebrauch von Stöcken und Steinen zum Verhalten gehört haben mag.

Zu 3.: Die Gehirngröße von Australopithecus muß nicht als schlüssiges Merkmal hinsichtlich einer vermuteten Stellung zwischen Tier und Mensch gewertet werden. Ein zuverlässiger Rückschluß auf Sprachfähigkeit ist nicht möglich.

Michael Day, einer der führenden Paläoanthropologen, schrieb 1985 zu diesem Problemkreis zusammenfassend: "Die allgemeine taxonomische Position der Australopithecinen scheint so konfus wie eh und je zu sein ...". [ 14 ]


Fußnoten

[ 1 ] Mc Dowell, Fakten, S. 166
[ 2a ] Wikipedia
[ 2b ] Wikipedia - Kind von Taung
[ 3 ] Wikipedia (vgl. Sir Arthur Keith: "The fossil anthropoid of Taung" in Nature Band 115#2885 (1925) vom 14.2.1925, S. 234f)
[ 4 ] McDowell, Fakten, S. 166
[ 5 ] Johanson, Lucay und ihre Kinder, S. 133
[ 6 ] Scherer / Junker, Entstehung, S. 215
[ 7 ] Wikipedia
[ 8 ] Johanson, Lucy und ihre Kinder, S. 140 (mit einer Abbildung)
[ 9 ] Wikipedia: Donald Johanson
[ 10 ] Ouweneel, Evolution in der Zeitenwende. S. 164
[ 11 ] McDowell, Fakten, S. 166
[ 12 ] R.E.F. Leakey: "Evidence for an Advanced Plio-Pleistocene Hominid from East Rudolf, Kenya" in Nature 242#5398 (1973):447 (zitiert bei Oxnard)
[ 13 ] Ouweneel, Evolution in der Zeitwende, S. 164
[ 14 ] Scherer / Junker, Entstehung, S. 215


Literatur - Bücher

Donald Johanson & Blake Edgar: Lucy und ihre Kinder, Spektrum, 2. aktualisierte und erweiterte Ausgabe, o.J. (sehr schöner Bildband)

Willem J, Ouweneel, Evolution in der Zeitenwende, Neuhausen: Hänssler-Verlag,1984

Josh McDowell & Don Stuart: Fakten über das Christentum, die Zweifler kennen sollten, Weichs: Memra-Verlag, 1987

Reinhard Junker & Siegfried Scherer: Entstehung und Geschichte der Lebewesen, Weyel Biologie, 2. Auflage, 1988


Literatur - Zeitschrift (Nature)

Raymond. A. Dart: "Australopithecus africanus: The Man-Ape of South Africa" in Nature Band 115#2884, 1925, vom 7.2.1925, S. 195-199

Sir Arthur Keith: "The fossil anthropoid of Taung" in Nature Band 115#2885, 1925, vom 14.2.1925, S. 234f

R.E.F. Leakey: "Evidence for an Advanced Plio-Pleistocene Hominid from East Rudolf, Kenya" in Nature 242#5398 1973, S.447 (zitiert bei Oxnard) *

C.E. Oxnard: "The place of the australopithecine in human evolution: grund for doubts?" in Nature 258 1975, S. 389-395

Bernard Wood (George Washington University, Washington): "A precious little bundle" in Nature 443, 2006, S. 278f *

Zeresenay Alemseged et al.: "A juvenile early hominin skeleton from Dikika, Ethiopia." in Nature 443, 2006, S. 296-301 *

Zeresenay Alemseged et al.: "Geological and palaeontological context of a Pliocene juvenile hominin at Dikika, Ethiopia" in Nature 443#5048 (21 September 2006) , S. 332ff (viel Fachjargon)

Bernard Wood: "A precious little bundle" in Nature 443#7109 (21.9.2006), S. 278ff (Hat Zweifel am regelmäßigen aufrechten Gang von A. afarensis)


Literatur - Zeitschrift (Science)

D.C. Johanson & T.D. White: "A systematic assessment of early African hominids" in Science 203 (26.1.1979):321-330 *

M.H. Day, M.D. Leakey & T.R. Olson: "On the Status of Australopithecus afarensis" in Science 207 (7.3.1980):1102-1103 *

D.C. Johanson & T.D. White: "On the Status of Australopithecus afarensis" in Science 207 (7.3.1980):1104-1105 *



Links zum Thema

Lucy ©Wikipedia

'Lucy' Discoverer Donald C. Johanson (Interview) © Time - (englisch)

Johanson finds 3.2 million-year-old Lucy 1974

Donald Johanson

Evolution Mensch (sehr nett gemacht)

Dikikas Kind © Wikipedia - ein 3,3 Millionen Jahre altes australopithecines Kind

Von der Taille abwärts sah das Kind von Dikika menschlich aus.
Der Oberkörper dagegen hat noch viele Merkmale von Menschenaffen: Das Gehirn war klein, die Nase flach wie die eines Schimpansen, das Gesicht lang und vorgewölbt, die Fingerknochen gebogen und fast so lang wie bei einem Schimpansen.
Die beiden vollständig erhaltenen Schulterblätter – die ersten, die man von Australopithecinen gefunden hat – ähneln denen eines jungen Gorillas und erleichterten wahrscheinlich das Klettern.
Die Fähigkeit der Füße, einen Körper aufrecht zu tragen und zu bewegen, bezahlten die frühen Menschen mit dem Verlust ihres daumenähnlichen großen Greifzehs. Das konnte aber am Skelett bisher noch nicht nachgewiesen werden.

Raymond Dart © Minnesota State University

Raymond Dart © talkorigins.org

[PDF] The earliest baby girl ever discovered Pressemitteilung der Max Planck Gesellschaft vom 20. September 2006 (pdf, auf Englisch)

Eine hilfreiche Beschreibung der bisherigen Forschungsergebnisse.

Australopithecus Afarensis - Lucy (englisch)



Zum Thema Evolution auf Spiegel Online

Vormenschen: Dikika-Kind als Kronzeuge der Menschwerdung (13.12.2006)

Vormenschen: Ältestes Mädchen entdeckt (21.09.2006)

Schädel-Vergleich: Riesige Raubvögel jagten Vormenschen (30.08.2006)


Alte Beißer: Zähne erzählen von langer Neandertaler-Kindheit (22.11.2006)

Umstrittene These: Forscher glaubt an Hirntuning durch Neandertaler (08.11.2006)

DNA-Rekonstruktion: Forscher puzzeln Neandertaler-Bauplan zusammen (26.06.2007)

Alte Knochen: Moderner Frühmensch in China entdeckt (03.04.2007)

Fotostrecke: Verwirrende Funde aus Kenia



| zum Textbeginn |


Copyright (C) 2009 by www.theologische-links.de
Dieses Papier ist ausschließlich für den persönlichen Gebrauch bestimmt.
URL: http://www.theologische-links.de/downloads/evolution/australopithecinen_waren_affen.html
Ins Netz gesetzt am 25.04.2009; letzte Änderung: 07.08.2010
Home | Theologische Linksammlung | Downloads MENÜ & EVOLUTION | Webmaster |