Was will die Hamas?

Hintergrundinformation zum Nahostkonflikt

Grün war das Banner, unter dem im 7. Jahrhundert nach Christus der Siegeszug des Propheten Mohammed von der arabischen Halbinsel aus begonnen hat. Grün sind die Baseballmützen und die Flaggen, die seit dem 25. Januar 2006 die Palästinensischen Autonomiegebiete beherrschen. 74 der 132 Sitze des Palästinensischen Legislativrates, landläufig "Palästinenserparlament" genannt, hat die radikal-islamische Bewegung auf Anhieb in den ersten landesweiten Wahlen gewonnen, in denen sie sich zur Wahl stellte. Ein überragender Wahlsieg für die von vollbärtigen Scheichs bestimmte strengreligiöse Bewegung. Ein Schock für die westliche Welt, die sich von dem Traum einer Säkularisierung durch Demokratisierung der arabischen Gesellschaft nur ungern verabschieden will.

Im Dezember 1987 war die "Harakat al-Mugawama al-Islamija", übersetzt "Islamische Widerstandsbewegung" und abgekürzt "Hamas", unter Führung des gelähmten Scheichs Achmed Jassin im Gazastreifen auf den Plan getreten. Weil sie sich anfangs ausschließlich religiös und sozial engagierte und ein willkommenes Gegengewicht zur terroristischen Palästinensischen Befreiungsbewegung PLO darstellte, wurde die Hamas gar vom israelischen Geheimdienst gefördert. Dabei ließen die israelischen Nachrichtendienstler aber offensichtlich den ideologisch-religiösen Hintergrund außer Acht. Nicht nur die Berufung auf das Erbe der ägyptischen Muslimbruderschaft, schon der Name "Hamas" hätte sie aufhorchen lassen müssen. Im Arabischen bedeutet "Hamas" "Eifer", im Hebräischen "Gewalttat".

Im August 1988 veröffentlichte die Hamas-Bewegung ihre Charta und legte damit ihre Ideologie, ihre Ziele und Mittel offen dar. "Israel wird sich erheben und bestehen bleiben, bis der Islam es vernichten wird, so wie er alle seine Vorgänger vernichtet hat", wird in der Präambel der legendäre Gründer der Muslimbruderschaft, der "Imam und Märtyrer Hassan al-Banna" zitiert. Immer wieder wird "unser Kampf gegen die Juden" beschworen - und die maßgebenden Anführer dieser Bewegung werden bis heute nicht müde, zu betonen, dass der bewaffnete Kampf und ein Ende des jüdischen Staates Israel die einzige Lösung des Nahostkonflikts ist.

"Die islamische Widerstandsbewegung bezieht ihre Richtlinien aus dem Islam", betont die Hamas-Charta in Artikel 1 und ist "allein Allah loyal" (Artikel 6). "Allah ist ihr Ziel, der Prophet ihr Vorbild, der Koran ihre Verfassung, der Dschihad ihr Weg und Tod um Allahs willen ihr erhabenster Glaube" (Artikel 8). Deshalb glaubt sie auch, "dass das Land Palästina eine islamische Stiftung ist durch alle Generationen bis zum Tag der Auferstehung. Niemand kann das - auch nur teilweise - widerrufen oder - auch nur teilweise - aufgeben" (Artikel 11). Das Ziel der Hamas ist "das Banner Allahs über jeden Zentimeter von Palästina zu erheben" (Artikel 6). Folgerichtig sind alle "Friedensvorschläge und internationale Konferenzen nichts als Zeitverschwendung" (Artikel 13). Scheich Jassin hat das immer wieder betont und im September 1993 mit dem Abschluss der Abkommen von Oslo gelobt, "nie an diesem Spiel teilzuhaben und den Frieden mit Israel in einem Meer von Blut zu ertränken." Der schwächliche Greis mag am frühen Morgen des 22. März 2004 vor seiner Moschee in Gaza den israelischen Raketen, die ihn aus seinem Rollstuhl holten, nicht gewachsen gewesen sein - im Rückblick muss festgehalten werden: Er war der einzige Nahostpolitiker der vergangenen 15 Jahre, der Recht behalten hat.

Hamas will ernst genommen werden. "Wer ihre Rolle außer Acht lässt, fordert das Schicksal heraus", steht schwarz auf weiß in Artikel 7 der Hamas-Charta. Und vielleicht verdient genau das auch das palästinensische Volk, das vor der Wahl sehr genau wusste, wem es seine Stimme gab.

Am ersten Februarwochenende traf sich die Führungsspitze der Hamas in Kairo, um über die Zusammensetzung der künftigen palästinensischen Regierung zu beraten. Politbürochcf Chaled Maschaal aus Damaskus, sein Stellvertreter Musa Abu Marsuk aus dem Libanon und Ismail Hanije und Mahmud a-Sahar aus dem Gazastreifen wissen genau, wie sie in den Augen der Welt dastehen. Im Rahmen ihrer Theologie steht ihnen die Möglichkeit eines langfristigen Waffenstillstands offen. Trotz-dem scheute sich Abu Marsuk nicht, Journalisten zu erklären: "Wir glauben, dass in der Vergangenheit [mit der Anerkennung Israels] ein Fehler gemacht wurde, der korrigiert werden muss." Wie er sich diese Korrektur vorstellt, verschwieg Abu Marsuk allerdings.

Die UNO fordert von der Hamas eine klare Absage an den Terror, eine Anerkennung Israels und der bislang ausgehandelten Verträge. Als Druckmittel bleibt ihr vor allem das Geld. Da stellten Hamas-Vertreter allerdings klar, dass sie ihren Prinzipien um Geldes willen nie untreu würden. Alternative Finanzierungsmöglichkeiten stünden aus der arabischen und islamischen Welt zur Verfügung. Und schließlich hat das palästinensische Volk und allen voran die Hamas längst bewiesen, wie leidensfähig sie sind. Vielleicht sollte sich der Westen ins Stammbuch schreiben lassen, was die Hamas-Charta in Artikel 34 konstatiert: "Glaube kann nur mit Glauben bekämpft werden. Der letzte Sieg gehört der Wahrheit, und die Wahrheit ist siegreich."



Mit freundlicher Genehmigung von KEP - Christliches Medienmagazin PRO



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Ins Netz gesetzt am 10.08.2006; letzte Änderung: am 16.04.2010
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