Biblische Landverheißungen - das Los des Erbteils


1 Die göttliche Zusage an Israel

"Der HErr hat Isaak auserkoren,
hat seinen Bund mit Jakob durch einen Eid bekräftigt,
hat sich Israel mit seiner Treue verbürgt:
Eure Kinder führe ich in dieses Land,
nach Kanaan, das auf ewig das Los euer Erbteils ist."

So lautet, ins Deutsche übertragen die vierte Strophe des gereimten 105. Psalmes, wie er seit 1968 in den Niederlanden gesungen wird. Die Worte geben haargenau wieder, worum es uns in diesem Artikel geht: um die Landverheißung Gottes an Israel.

Kanaan, das gelobte Land. Das Los des Erbteils für Abraham und seine Nachkommen. Für jeden, der das Alte Testament ernst nimmt, dürfte es kaum eine Frage sein: Gott hat Israel Kanaan verheißen als ewigen Besitz. Es gibt fast 50 Bibelstellen, wo die Landverheißung betont, oft auch noch durch einen Eid von Gottes Seite bestätigt wird. Natürlich befassen wir uns im Rahmen dieses Artikels nicht mit allen Stellen. Ich beschränke mich auf nur einige.


2 Erzväter und weitere

Es fängt natürlich alles bei Abraham an. 1.Mose 12 erzählt uns von der Berufung Abrams, sich aufzumachen in das Land, das Gott ihm zeigen würde. Nach seiner Ankunft in dem Land bekommt Abram eine Erscheinung von Gott, der ihm sagt: "Deinen Nachkommen will ich dieses Land geben" (Vers 7).

Das nächste Kapitel ist noch etwas genauer. Es erzählt uns die Geschichte von Abram und Lot. Die Hirten beider Männer streiten sich um das Land; es ist so viel Vieh da, dass die Weide- und Tränkplätze nicht ausreichen. Abram ist dazu bereit, das Land zu teilen, etwa wie "Land für Frieden".

Lot erwählt sich das beste Stück und lässt sich in Sodom nieder. Dann aber erscheint der Herr dem Abram wiederum. Es ist sehr bemerkenswert, was er sagt: "Hebe deine Augen auf und sieh von der Stätte aus, wo du wohnst, nach Norden, nach Süden, nach Osten und nach Westen. Denn all das Land, das du siehst, will ich dir und deinen Nachkommen geben für alle Zeit. ... Darum mach dich auf und durchzieh das Land in die Länge und Breite, denn dir will ich es geben" (1.Mose 13,14-18). Wenn Abram also auch dazu bereit ist, mit Lot zu teilen, so ist dennoch das ganze Land für Abram und seine Nachkommen bestimmt. Immer wieder wird dies wiederholt. Noch ein einziges Beispiel aus der Geschichte Abrams: In 1.Mose 17 lesen wir vom Bund, den Gott mit Abram schließt, wobei sein Name in "Abraham" umgeändert wird.

Gott sagt: "Und ich will dir und deinem Geschlecht nach dir das Land geben, darin du ein Fremdling bist, das ganze Land Kanaan, zu ewigem Besitz, und ich will ihr Gott sein" (1.Mose 17,1-8). Die Verheißung an Abraham wird an Isaak (1.Mose 26,2-5) und an Jakob (1.Mose 28,13-15, 35,9-12) wiederholt, und zwar nachdrücklich.

Die Folgerung dürfte klar sein: Mit einem Schwur hat der Herr den Erzvätern und ihren Nachkommen das Land Kanaan verheißen. Das bleibt bestehen, durch die ganze Geschichte hindurch. Unter Josua nehmen die Stämme Israels das gelobte Land in Besitz, nachdem Gott am Anfang des Buches seine einladende Verheißung gesprochen hatte: "Zieh über den Jordan in das Land, das ich den Kindern Israels gegeben habe. Jede Stätte, auf die eure Fußsohlen treten werden, habe ich euch gegeben, wie ich Mose zugesagt habe. ... Du sollst diesem Volk das Land austeilen, das ich ihnen zum Erbe geben will, wie ich ihren Vätern geschworen habe" (Josua 1,1-6).

Um nicht noch mehr Bibelstellen zu nennen, fasse ich jetzt alles zusammen in dem bekannten Ausspruch aus Psalm 105: "Er gedenkt ewiglich an seinen Bund ..., den er geschlossen hat mit Abraham, und an den Eid, den er Isaak geschworen hat. Er stellte ihn auf für Jakob als Satzung und für Israel als ewigen Bund und sprach: `Dir will ich das Land Kanaan geben, das Los eures Erbteils" (Psalm 105,8-11).


3 Bundesverheißungen und Bundesdrohungen

Die Verheißung des Landes ist also Teil des Bundes, den Gott mit Abraham und seinem Samen schließt. Es ist kennzeichnend für den Bund, dass er eine Verheißung und eine Forderung oder sogar eine Drohung kennt; anders gesagt: Segen und Fluch. Mose redet in 5.Mose 27 und 28 recht eindrucksvoll davon.

Gott wird den Reichtum seiner Segnungen über sein Volk ausgießen, wenn es auf dem Weg der Thora wandelt. Sie werden im Land der Verheißung ein gesegnetes Leben führen. Bei Ungehorsam aber wird er sie strafen; eine der Drohungen ist, dass er das Volk unter die Völker zerstreuen wird.

In 5.Mose 28,58-68 sagt Mose u.a.: "Ihr werdet herausgerissen werden aus dem Lande, in das du jetzt ziehst, es einzunehmen. Denn der HERR wird dich zerstreuen unter alle Völker von einem Ende der Erde bis ans andere ..." So geschah es denn auch einige Male in der Geschichte Israels.

722 v.Chr. wurde das Nordreich Israels von den Assyrern überrannt, und so fing die Zerstreuung der zehn Stämme an, die bis auf den heutigen Tag andauert. 586 v.Chr. zerstörte Nebukadnezar Jerusalem und den Tempel und führte Juda und Benjamin in die Babylonische Gefangenschaft, die 70 Jahre gedauert hat. Nach der Rückkehr aus der Gefangenschaft in Babel wurden Jerusalem und der Tempel wieder aufgebaut.

Einige Jahrhunderte lang lebten Juda und Benjamin in verhältnismäßiger Unabhängigkeit und Freiheit im Land der Väter. Am Anfang der christlichen Zeitrechnung aber zerstörten die Römer nach einem Aufstand der Juden die Stadt und den Tempel (70 n.Chr.). Nach einem zweiten Aufstand im Jahre 135 n.Chr. wurden die Juden von den Römern endgültig aus dem gelobten Land vertrieben, und es begann die jahrhundertelange große Zerstreuung unter den Völkern, wie Mose offensichtlich schon vorhergesehen hatte.

Jesus weist in seiner eschatologischen Rede darauf hin: "Sie werden fallen durch des Schwertes Schärfe und gefangen geführt unter alle Völker" (Lukas 21, 24). So vollzieht sich in ergreifender Weise die Bundesdrohung.


4 Rückkehr und Wiederherstellung

Ist das aber jetzt das letzte Wort? Bleibt die ewige Verheißung gar auf der Strecke durch den Ungehorsam der Menschen? Wer dies sagt, macht die Rechnung ohne den Gott Israels. Gott hat mit einem Eid geschworen, und zwar bei seinem eigenen heiligen Namen! Obwohl er mit Vertreibung aus dem Land und mit Zerstreuung droht und diese Drohung auch tatsächlich ausführt, bleibt er seinem Eid, den er den Erzvätern geschworen hat, treu.

Die Propheten besingen deshalb mit lauter Stimme Gottes Treue in der Verheißung der Rückkehr und Wiederherstellung. Ich könnte jetzt eine ganze Menge prophetischer Worte zitieren, muss mich aber beschränken.

Ich denke beispielsweise an das wunderbare Wort aus Jer. 16,14 und 15: "Darum siehe, es kommt die Zeit, spricht der HERR, da man nicht mehr sagen wird: `So wahr der HERR lebt, der die Kinder Israels aus Ägyptenland geführt hat', sondern: `So wahr der HERR lebt, der die Kinder Israels geführt hat aus dem Lande des Nordens und aus allen Ländern, wohin er sie verstoßen hatte'. Denn ich will sie zurückbringen in das Land, das ich ihren Vätern gegeben habe."

Die Rückkehr aus der großen Gefangenschaft übertrifft den Exodus aus Ägypten!

Vergleiche weiter

  • Hesekiel 43,5 ff;
  • Jeremia 30,10ff;
  • Jeremia 31,10 ff;
  • Jeremia 33;
  • Hesekiel 36 und 37 und viele andere Stellen.

Offensichtlich bedeutet die Zerstreuung nicht das Ende der Landverheißung; im Gegenteil hat durch die Jahrhunderte hindurch das Wort Gottes seine Gültigkeit behalten.

Daher hat das jüdische Volk auch in der Zerstreuung die Sehnsucht nach Zion und die Erwartung der Rückkehr aufrecht erhalten. Wir erleben in unseren Tagen die Rückkehr aus jahrhundertelanger Gefangenschaft und den Anfang der Wiederherstellung Israels als Erfüllung von Gottes Verheißungen aus seiner ewigen Treue.


5 Und das Neue Testament

Jahrhundertelang hat unter Christen die Ansicht geherrscht, dass alle Verheißungen an Abraham, einschließlich der Landverheißung, in Christus erfüllt worden seien und somit ihre Zeit gehabt hätten. Nach Christus bedeute die Landverheißung, dass die ganze Welt Stätte von Gottes Heil sei und dass die Prophetien der Rückkehr und Wiederherstellung ein Hinweis seien auf das Hinzutun von Heiden zur Kirche Christi, wie ich kürzlich noch in einer ausführlichen Darlegung eines englischen Theologen las, der damit zugleich die Ansprüche des heutigen Israel auf 'arabischen' Boden ablehnte. Dass dies alles mit der verderblichen Ersatztheologie zusammenhängt, steht außer Zweifel. Viele christliche Theologen haben weiter als Argument angeführt, dass das Neue Testament nirgends mit vielen Worten von der Landverheißung spreche, also diese Verheißung als erfüllt und aufgehoben zu betrachten sei. Wer Paulus richtig liest, könnte es besser wissen.

In Römer 9,1-5 betont der Apostel, dass auch nach der Verwerfung Jesu von der Mehrheit des jüdischen Volkes Gottes Verheißung und Bund ihre Gültigkeit behalten. Das kann also nichts anderes bedeuten, als dass die Landverheißung auch nach Christus noch vollständig in Kraft ist. Außerdem wird für die jüdischen Schreiber des Neuen Testaments das Band zwischen Land und Volk eine Selbstverständlichkeit gewesen sein. Es liegt auf der Hand anzunehmen, dass das Neue Testament es ausdrücklich erwähnt hätte, wenn dieses Band durchschnitten wäre! Es ist einfach wahr für alle Zeiten: "Dir will ich das Land Kanaan geben, das Los eures Erbteils."

© 2000 Jaap de Vreugd - "Israel heute e.V." Spezial Nr. 5 - Dezember 2000



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Ins Netz gesetzt am 28.05.2003; letzte Änderung: am 22.03.2013

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