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Die seltsamen Visionen der Charta Oecumenica

Von H.F.H. - Kein anderes Evangelium


Im Zeitalter der Globalisierung und Zusammenschlüsse hat auch die Kirchen der Wunsch nach Einheit erfasst. Trotz regelmäßiger Konsultationen und ökumenischer Konferenzen ist es nicht gelungen, die Hemmnisse eigenkirchlicher Interessen und theologischer Barrieren zu überwinden und zu einem wirklichen Fortschritt in Richtung Einheit zu kommen.

Nun liegt ein neues Papier vor, die »Charta Oecumenica«, mit dem die Kirchen Europas die Einheit der europäischen Christenheit und die Erneuerung der europäischen Gesellschaft voranbringen wollen. Die Charta ist voller Absichtserklärungen. Zum wiederholten Male werden Selbstverständlichkeiten benannt und aufgezählt. Hier stimmt was nicht, denn Kirchen, die selbst zu keiner Einheit finden, wollen zur Einheit und Erneuerung der europäischen Gesellschaft beitragen. Ob Absichtserklärungen und Selbstverpflichtungen zu einem so großen und schwierigen Werk ausreichen? Wird eine Gesellschaft, der das Wort der Kirche nicht mehr allzu viel bedeutet, von den »Visionen« der Kirchenleute überhaupt eine Notiz nehmen? Ist es denn die Aufgabe der Kirchen politisierend in die Gesellschaft einzutreten und »Völker und Kulturen zu versöhnen«? Besonnenheit tut not, denn es ist offensichtlich, dass sich auf diesem Weg noch nicht viel bewegt hat.

Gute und wichtige Anliegen werden in der »Charta Oecumenica« genannt, nämlich: die Rechte der Minderheiten verteidigen, Missverständnisse und Vorurteile abbauen, soziale Mitverantwortung üben, die Grundwerte verteidigen und die Schöpfung bewahren. Die meisten dieser Themen sind bei den Politikern besser aufbewahrt und was die Schöpfung betrifft, Greenpeace der kompetentere Gesprächspartner. Nicht weniger seltsam muten einen die in steter Regelmäßigkeit wiederkehrenden Formulierungen an, dass die Gemeinschaft mit dem Judentum zu vertiefen, das Verhältnis zum Islam und die Beziehung zu Weltanschauungen zu pflegen sei.

Der Wunsch, sogar mit den Weltanschauungen ein positives Verhältnis zu pflegen, macht erschreckend deutlich, dass die Kirchenvertreter, die solche Sätze in die Charta geschrieben haben, bereits Opfer ihrer Visionen und Träume geworden sind und die Katastrophen, die die Weltanschauungen über die europäischen Völker gebracht haben, nicht mehr richtig zu bewerten wissen. So kann es nicht anders sein, als dass manches, was in der Charta zur Erneuerung Europas angeführt wird, Selbstverständlichkeiten oder auch nur Allgemeinplätze sind.

Dass auch die Kirchen einen Beitrag zum Gelingen eines geeinigten Europas zu leisten haben, sei unbestritten – dann aber mit dem, was ihnen der Herr der Kirche aufgetragen und befohlen hat: »Gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker: Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe.« Aber hier wird die Not der Kirchen unserer Tage am offenbarsten. Es fehlt ihnen die Vollmacht, die Menschen anzusprechen und die Gewissen zu wecken. Das ist die Folge davon, dass selbst in den Kirchen das Vertrauen zum Worte Gottes nicht groß ist. Wer aber dem Worte Gottes nicht viel zutraut und dennoch den Fortschritt sucht, muss mit »Verpflichtungen« arbeiten. In der Charta wimmelt es von Verpflichtungen, deren »Verbindlichkeit« in der »Selbstverpflichtung« bestehen soll. Was solche Selbstverpflichtungen wert sind, kann man daran erkennen, dass selbst in den Kirchen zu großen Teilen z. B. dem Gebot: »Du sollst nicht töten!«, durch Befürwortung der Abtreibung ebenso widersprochen wird wie dem apostolischen Wort, dass Ehebrecher und Knabenschänder das Reich Gottes nicht ererben werden. Kirchen, die selbst nicht dem Worte Gottes gehorsam sind, können nicht damit rechnen, dass die Gesellschaft Europas positiv auf die von ihnen vorgetragenen Visionen reagieren wird.

Wenn der Beitrag der Kirchen nicht über das Alltägliche hinausgeht und sie nicht Verkündigerin des Reiches Gottes und seiner Gerechtigkeit sein wollen, werden sie unglaubwürdig und weiterhin Gefangene ihrer eigenen Ängste bleiben.

In den Ausführungen der »Charta Oecumenica« sind die Ängste, die die Kirchen voreinander haben, mit Händen zu greifen. Denn die Kirchen verpflichten sich, sich bei der gemeinsamen Arbeit für Europa nicht gegenseitig die Mitglieder abzuwerben; den schändlichen Versuch, mit materiellen Mitteln Menschen anzulocken, zu unterlassen; durch ambivalentes Handeln keine weiteren Spaltungen herbeizuführen und die Gewissensentscheidung der Menschen im Ringen um Einheit zu gewährleisten.

Angesichts dieser blamablen Ängste werden die Visionen von einer kirchlichen Einheit und die Absichtserklärungen zur Erneuerung der Gesellschaft zu Seifenblasen, die schon platzen, bevor sie zur Bewunderung für viele am kirchlichen Himmel aufsteigen. Wie ist das alles zu verstehen?

Die Kirchen haben sich ohne Verständigung über ihre eigene Einheit aufgemacht, sich an der Gestaltwerdung Europas zu beteiligen. Denn von einem gemeinsamen Verständnis der Kirchen, was denn die Einheit für sie und Völker letztlich sei, kann nicht ausgegangen werden. Die römisch-katholische Kirche hat die Vorstellung, dass sie selbst »die Einheit der ganzen Menschheit« sei. Und weil die römische Kirche von diesem Selbstverständnis nie lassen wird, ist Uneinigkeit unter den Kirchen und sind die oben genannten Abgrenzungen notwendig geworden. Was soll dann die »Charta Oecumenica«? Warum nur waren die evangelischen Vertreter bereit, für die evangelischen Gemeinden solche »Verpflichtungen« einzugehen und den evangelischen Christen ohne wirkliche Zielangabe munter »die Ausdauer eines Langstreckenläufers« zu wünschen? Solche Unklarheiten werden sich so oft wiederholen, so lange kirchenleitende Personen in den evangelischen Kirchen und ein großer Teil der Pfarrerschaft sich weigern, die verbindlichen Texte der katholischen Kirche zur Kenntnis zu nehmen und im Gegenüber zur Bibel und den reformatorischen Bekenntnissen zu einer neuen Bewertung der ökumenischen Arbeit und der gesellschaftspolitischen Visionen zu kommen.

Noch einmal, die Kirchen sollen zur Erneuerung Europas beitragen. Sie können den Völkern aber keinen besseren Dienst tun als eben die Verkündigung des Evangeliums, so dass Menschen zu Jesus Christus finden, der der Weg, die Wahrheit und Leben ist. Darum sollen die Kirchen das Evangelium verkündigen und zur Buße rufen. Ohne Buße und Hinkehr zu Christus kann es weder zur Einheit der Kirchen kommen noch einen wirklicher Beitrag zur Erneuerung der Gesellschaft geben. Versöhnte Kulturen sind zu wenig, denn auch Kulturen können Ausdruck sündigen Verhaltens sein. Die Unkultur der Kindestötungen bei Abtreibungen in ganz Europa und die neueste Unkultur der Euthanasie in einem europäischen Land zeigt an, dass der Schaden tiefer sitzt. Wollen die Kirchen angesichts dieses Schadens nicht Verkündigerin des Evangeliums sein, den Ruf der Buße nicht ergehen lassen und die Verzeihung der Schuld nicht im Namen Jesu Christi anbieten, werden ihre ganzen Selbstverpflichtungen eben nichts anderes sein als verblasene Visionen und Europa wird letztlich seinen Wege ohne die Kirchen gehen müssen.



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Ins Netz gesetzt am 22.09.2004; letzte Änderung: am 22.03.2013

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