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Keine Übereinstimmung in der Rechtfertigung

Stellungnahme der Bekenntnisbewegung »Kein anderes Evangelium« zur evangelisch-römischen Ökumene


Am 31. Oktober 1999 (dem Reformationstag!) unterzeichneten in Augsburg Vertreter des Lutherischen Weltbundes und der römisch-katholischen Kirche eine »Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre« (GER) samt Zusatzdokumenten (»Gemeinsame Offizielle Feststellung« und »Annex«). Von manchen wird dieses Ereignis als großer ökumenischer Fortschritt gepriesen.

Dieser Einschätzung entgegen stehen u.a. die eindringlichen Warnungen und Proteste namhafter Theologen gegen eine Unterzeichnung (vergleiche z.B. die von 239 deutschsprachigen evangelischen Theologen unterschriebene »Stellungnahme theologischer Hochschullehrer zur Gemeinsamen Offiziellen Feststellung (GOF) zur GER« in epd-Dokumentation Nr. 45/99).

Die Mitglieder des Geschäftsführenden Ausschusses und des am 10. April 2000 in Kassel-Wilhelmshöhe versammelten Bundesarbeitskreises der Bekenntnisbewegung ›Kein anderes Evangelium‹ stellen fest:

Die »Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre« (GER) samt Zusatzdokumente und deren Unterzeichnung am 31. Oktober 1999 in Augsburg durch evangelische Kirchenleute sind ein Verrat an der Reformation, eine Preisgabe der biblisch-reformatorischen Lehre von der Rechtfertigung, die das Zentrum des Evangeliums ist, »der Artikel, mit dem die Kirche steht und fällt« (V.E.Löscher).

In der »Gemeinsamen offiziellen Feststellung: Ein Konsens in Grundwahrheiten« (GOF) heißt es: »Auf der Grundlage der in der Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre (GER) erreichten Übereinstimmungen erklären der Lutherische Weltbund und die katholische Kirche gemeinsam: ›Das in dieser Erklärung dargelegte Verständnis der Rechtfertigungslehre zeigt, dass zwischen Lutheranern und Katholiken ein Konsens in Grundwahrheiten besteht‹ (GER 40). Auf der Grundlage dieses Konsenses erklären der Lutherische Weltbund und die katholische Kirche gemeinsam: ›Die in dieser Erklärung vorgelegte Lehre der lutherischen Kirchen wird nicht von den Verurteilungen des Trienter Konzils getroffen. Die Verwerfungen der lutherischen Bekenntnisschriften treffen nicht die in dieser Erklärung vorgelegte Lehre der römisch-katholischen Kirche‹ (GER 41).« In der (als »Anhang (Annex)« bezeichneten) beigefügten Feststellung werde der in der GER erreichte Konsens weiter erläutert. So werde klargestellt, »dass die früheren gegenseitigen Lehrverurteilungen die Lehre der Dialogpartner, wie sie in der Gemeinsamen Erklärung dargelegt wird, nicht treffen.«

Man beachte das Verfahren, das dort angewandt wird: »Ein Konsens in Grundwahrheiten« wird behauptet – unter Hinweis auf die Rechtfertigungslehre in der Gestalt, in der sie in der GER verstanden und dargelegt wird. Diese Rechtfertigungslehre der GER (!) werde von den früheren beiderseitigen Lehrverurteilungen nicht getroffen. Aber diese neuartige Rechtfertigungslehre der GER ist nicht dieselbe wie die der lutherischen Bekenntnisschriften!

In dem »Anhang (Annex)« wird die in der GER erreichte »Übereinstimmung in Grundwahrheiten der Rechtfertigungslehre« unterstrichen und nochmals betont, »dass die früheren wechselseitigen Verurteilungen die katholische und die lutherische Rechtfertigungslehre, wie sie in der Gemeinsamen Erklärung dargestellt sind, nicht treffen«. Auch hier also wieder: »die katholische und die lutherische Rechtfertigungslehre, wie sie in der GER dargestellt (!) sind«, die werden von den früheren Verurteilungen nicht getroffen.

Zwar ist in der GER und im Annex z.B. auch von »allein durch den Glauben« (»sola fide«) und »allein aus Gnade« (»sola gratia«) die Rede, aber diese reformatorische Redeweise wird sofort durch eine Bezugnahme auf Thomas von Aquin entschärft, der bekanntlich eine völlig andere, von den Reformatoren abgelehnte Gnadenlehre vertritt. Und wie kann der Papst weiterhin Ablass (erneut für das Jahr 2000) anbieten, wenn man das »allein durch den Glauben« wirklich ernst nimmt? Die römische Rechtfertigungslehre verweist den Menschen – trotz aller Gnadenbeteuerungen – auf dessen eigenes, frommes Mitwirken (nach dem vermeintlichen Vorbild und mit ständig erbetener Hilfe und Fürsprache Marias und der Heiligen).

»Glaube« ist nach biblisch-reformatorischem Verständnis das von Gott im Zuspruch des Evangeliums geschenkte Vertrauen auf Jesus Christus, das Lamm Gottes, auf sein stellvertretendes allgenugsames Sühnopfer zur Vergebung meiner Sünden. Dem Sünder, der so ihm vertraut, also an ihn glaubt, rechnet Gott die Gerechtigkeit Christi zu, schenkt ihm Vergebung, Leben und Seligkeit. Dagegen ist »Glaube« nach römischem Verständnis eine Tugend (neben anderen), mit deren Hilfe der Glaubende fromme Werke und Verdienste wirken kann. Dazu steht ihm die aus dem Schatz der Kirche (und durch deren Vermittlung) zufließende »Gnade« (römisch verstanden) zur Verfügung (auch Mehrzahl: »Gnaden«), die sich durch Ablass, ständiges Messopfer (beides für Lebende und Verstorbene im Fegefeuer) und andere Hilfs- und Heilmittel mehren lässt, um am Ende, wenn möglich, die Seligkeit zu erreichen. Nach biblisch-reformatorischem Verständnis dagegen ist die »Gnade« die unverdiente Gerechtsprechung des sündigen, verlorenen Menschen durch Gott um Christi und dessen stellvertretenden Sühnopfers willen, unter dem Zuspruch und dem Hören des Evangeliums im geschenkten Glauben gültig empfangen. – »Rechtfertigung«, »Gnade«, »Glaube«, ...: hier und dort dieselben Begriffe, aber doch völlig verschiedene Inhalte!

Rom hat keine Umkehr vollzogen, keine Abkehr von seinen widerbiblischen Irrlehren und -praktiken. Und die dem reformatorischen Sprachschatz entnommenen, aber auf GER-Verständnis reduzierten und als solche von Rom »akzeptierten« Aussagen werden dort alsbald fleißig tridentinisch interpretiert.

Kardinal Ratzinger, Mitverfasser der Gemeinsamen Offiziellen Feststellung und des erläuternden Anhangs, bekräftigte im Juni 1999 in einem Interview in der italienischen katholischen Zeitschrift »30 giorni« die Rechtfertigungslehre des Trienter Konzils als die einzig verbindliche. Befragt, was denn mit den Exkommunikationen (Anathemata; Verdammungen) des Konzils von Trient zur Erbsünde und zur Rechtfertigung geschehen sei, antwortete Ratzinger unter Hinweis auf ein Communiqué des römischen Einheitsrates vom 22. Juni 1999: »Das Dokument sagt, dass die Exkommunikationen von Trient auf diesem Gebiet (sc. der Rechtfertigungslehre) die Lehre so, wie sie heute dargelegt wird, nicht treffen. Gleichzeitig aber bleibt der Wahrheitswert der Exkommunikationen so: Wer der Lehre des Konzils von Trient widerspricht, widerspricht der Lehre, dem Glauben der Kirche.«

Das gegenreformatorische Konzil von Trient soll also zum Maßstab aller Lehre werden, auch der lutherischen. Und das beinhaltet auch: Der in Trient mehrfach ausgesprochene Fluch (»Anathema sit« = »der sei verflucht«) über die reformatorische Rechtfertigungslehre und ihre Bekenner wird nicht zurückgenommen, bleibt voll bestehen.

Rom verfolgt in Wahrheit unbeirrt weiterhin eine Lehre und Praxis der Rechtfertigung, die der biblisch-reformatorischen Botschaft und Lehre von der Rechtfertigung total entgegensteht und widerspricht. Sogar der Auslöser der reformatorischen Auseinandersetzung – das Ablasswesen – besteht ohne grundsätzliche Änderung fort, wie jüngst gerade wieder deutlich geworden ist: Für das Jubiliäumsjahr 2000 hat der Papst in einer Bulle einen besonderen »vollkommenen Jubiläumsablass« verkündigt.

Auch in vielen anderen Lehrpunkten (Gnadenlehre, Bußlehre, Papst, Maria, Heilige, Messopfer usw.) – die sich von der Frage der Rechtfertigung nicht trennen lassen – vertritt Rom die alten unbiblischen Standpunkte, gegen die eine biblisch-reformatorische Theologie und Verkündigung nach wie vor deutlich ihre Stimme erheben muss. Mit den Papst- und Mariendogmen (1854, 1870 und 1950) etwa sind die Beschwernisse gar eher noch größer geworden als im frühen 16. Jahrhundert. Und auch die Konzilsaussagen von Trient (u.v.a.m.) werden in dem vom Papst herausgegebenen »Katechismus der Katholischen Kirche« von 1992 als immer noch gültig zitiert.

Rom hat durch seine Zustimmung zur GER nicht viel verloren, wenn überhaupt etwas. Die Evangelische Kirche dagegen ist dabei, das Entscheidende und damit alles zu verlieren. Für sie ist die Unterzeichnung der römisch-»lutherischen« »Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre« (samt Zusatzdokumenten) ein Verrat an der Reformation. (Die GER setzt das reformatorische Bekenntnis durch die Hintertür außer Kraft, ohne dieses aus den Präambeln der Verfassungen der Landeskirchen streichen zu müssen.) Die meisten wissen gar nicht, was für sie und ihr Heil auf dem Spiel steht, und werden vom ökumenischen Sog immer weiter fortgetrieben. Der Fortgang der Dinge seit Augsburg belegt dies eindrücklich. (Mehr dazu in einem achtseitigen Informationsbrief »spezial« zur GER, das bei der Geschäftsstelle der Bekenntnisbewegung bestellt werden kann: Jakobstraße 60, 70794 Filderstadt-Sielmingen)

Hiermit erklären wir: Die GER und die Zusatzdokumente haben keinerlei Anspruch auf Verbindlichkeit. Verbindliche Grundlage der evangelischen Landeskirchen und Maßstab ihrer Verkündigung und Lehre sind allein Bibel und reformatorisches Bekenntnis. Daran halten wir uns und sind evangelische Kirche. Wir empfehlen deshalb keinen Austritt aus der Kirche der Reformation, sondern erheben bekennenden Einspruch gegen die falsche Kirche, die sich in ihr ausbreitet.

Der ganze Vorgang ist zugleich eine ernste Mahnung an uns selbst: Gott ganz neu dafür zu danken, dass er das biblische Evangelium von der Rechtfertigung des Sünders – aus Gnade, um Christi willen, durch den Glauben – in der Reformation neu hat aufleuchten lassen. Es ist, wie sich angesichts der endzeitlichen Verführung zeigt, dringend notwendig, dieses Zeugnis wieder zu hören und zu predigen, es gründlich kennenzulernen (Luthers Katechismen, Bekenntnisschriften, reformatorische Lieder) und die Kenntnis davon in unserer Kirche (Theologen und nachwachsende Generation) neu zu verbreiten, es der Gemeinde und der Welt ohne Entstellung, Verkürzung oder modische Verflachung treu zu verkündigen.

»Mich wundert, dass ihr euch so bald abwenden lasst von dem, der euch berufen hat in die Gnade Christi, zu einem andern Evangelium, obwohl es doch kein andres gibt; nur dass einige da sind, die euch verwirren und wollen das Evangelium Christi verkehren. Aber auch wenn wir oder ein Engel vom Himmel euch ein Evangelium predigen würden, das anders ist, als wir es euch gepredigt haben, der sei verflucht.« (Gal 1,6–8)

»Ich schäme mich des Evangeliums nicht; denn es ist eine Kraft Gottes, die selig macht alle, die daran glauben, die Juden zuerst und ebenso die Griechen. Denn darin wird offenbart die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, welche kommt aus Glauben in Glauben; wie geschrieben steht: »Der Gerechte wird aus Glauben leben.« (Röm 1,16f)

Bekenntnisbewegung »Kein anderes Evangelium«, der Bundesarbeitskreis und der Geschäftsführende Ausschuss, Kassel-Wilhelmshöhe, am 10. April 2000

Der vollständige Aufsatz mit vielen anschaulichen Belegen kann als Dokumentation bei der Geschäftsstelle der Bekenntnisbewegung angefordert werden:

Informationsbrief »Spezial«: Keine Übereinstimmung in der Rechtfertigung – Stellungnahme der Bekenntnisbewegung ›Kein anderes Evangelium‹ zur evangelisch-römischen Ökumene, von Martin Hamel, 9 Seiten)



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Ins Netz gesetzt am 21.09.2004; letzte Änderung: am 22.03.2013
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