Rubrik: Christliche Bekenntnisse

Der Barmer Kompromißbeschluß von 1907


Geschichtlicher Hintergrund

Gegner und Befürworter der neuen Zungenbewegung innerhalb der Gemeinschaftsbewegung waren sich darüber einig, daß es zu einem gegenseitigen Gedankenaustausch kommen mußte, damit der vorhandene Riß nicht noch tiefer würde.

Haarbeck und Schrenk luden deshalb die wichtigsten Vertreter aus den deutschen Gemeinschaftsverbänden zu einer Konferenz für den 19. und 20. Dezember 1907 nach Barmen ein.

Elias Schrenk leitete die Zusammenkunft. Er forderte zu Beginn Heinrich Dallmeyer auf, seine Erfahrungen und Eindrücke über die Zungenbewegung mitzuteilen. Anhand von 13 Punkten versuchte Dallmeyer klarzulegen, daß der Geist der neuen Bewegung ein Lügengeist ist, von dem man sich nur durch strikte Ablehnung enthalten kann.

Darauf entgegnete Holzapfel, daß in Großalmerode echte, vom Heiligen Geist gewirkte Gaben vorhanden sind. Andere Teilnehmer behaupteten, daß sie kein allgemeines Urteil fällen könnten, da die einzelnen Erscheinungen jeweils von Fall zu Fall zu beurteilen sind. Im Verlauf der Zusammenkunft wurden die verschiedensten Auffassungen, wie "alles falsch und dämonisch", "erst einmal abwarten" und "zum größten Teil göttlich", vertreten.

Nach zweitägigen Verhandlungen einigte man sich schließlich auf eine Erklärung.

Die Erklärung von Barmen war ein Kompromißbeschluß im wahrsten Sinne des Wortes. Die Ausführungen waren so weit gefaßt, daß im Grunde jeder bei seiner Meinung bleiben konnte und die streitenden Parteien sich kaum einen wesentlichen Schritt näherkamen. Irgendwelche Bereitschaft zur Aufgabe der Lehren vom Zungenreden und von der Geistestaufe war von Seiten der Pfingstleute nicht zu erkennen.

Das wichtigste Ergebnis der Barmer Zusammenkunft war, daß in naher Zukunft keine Spaltung innerhalb der deutschen Gemeinschaftsbewegung eintreten würde. Es blieb trotz erheblicher Lehrunterschiede bei einer äußerlich sichtbaren Einheit. Das erleichterte den Pfingstleuten, weiterhin ungehindert in den Kreisen der Gemeinschaften zu arbeiten und neue Anhänger zu gewinnen. Den deutschen Gemeinschaftsverbänden erschwerte es das entschiedene Vorgehen gegen die Pfingstleute und brachte nur eine Verzögerung für eine endgültige Auseinandersetzung.


Der Wortlaut der Erklärung

1. Wir bekennen, daß Gott auch in unseren Tagen alle biblischen Geistes gaben geben kann. Vor allem gilt es, daß sich die Gemeinde zubereiten läßt.

2. Wir stellen die ernste Tatsache fest, daß in der Bewegung unserer Tage in Kassel und an anderen Orten manche, die als Gläubige anerkannt werden, ein Zungenreden und Weissagen bekommen haben, das nicht vom Heiligen Geist war.

3. Wir müssen feststellen, daß es in einem erschreckend hohen Maße an der Prüfung der Geister nach den klaren Richtlinien des Wortes Gottes und an der Fähigkeit, von vornherein die Geister zu unterscheiden, gefehlt hat.

4. Wir bekennen diese Armut als eine Schuld, die uns und weite Kreise der Gemeinde trifft. Wir bitten alle Geschwister dringend, sich mit uns darüber zu beugen und ernstlich zu flehen, daß der Herr sich unser erbarme und unseren Schaden heile.

5. In dem tiefen Bewußtsein, wie not es tut, sich gegen jeden fremden Geist völlig abzuschließen, warnen wir unsere Geschwister, sich mit fortreißen zu lassen, und raten ihnen dringend, sich eine heilige Zurückhaltung aufzuerlegen, mit Wachen und Beten. Was uns not tut, sind nicht sensationelle Erfahrungen und Erscheinungen, sondern fleißiges Forschen in der Schrift mit Ausdauer, Hingabe und nüchternem Sinn und ein heiliger Wandel in der Furcht Gottes.


Den Kompromißbeschluß hatten unterzeichnet:

Theodor Haarbeck und Elias Schrenk als die Initiatoren des Barmer Treffens, Theophil Krawielitzki, Ernst Lohmann, Walter Michaelis, Kurt Regehly, Otto Schopf und Otto Stockmayer.

Außerdem wurde beschlossen, die Erörterungen und Auseinandersetzungen über die Bewegung in den Blättern und Zeitschriften für ein Jahr einzustellen und vor Ostern des nächsten Jahres wieder zum gemeinsamen Gespräch zusammenzukommen.



Literatur

Dieter Lange: Eine Bewegung bricht sich Bahn, Gießen: Brunnen-Verlag, 1979 (Text S. 186f)



Eine Erklärung der lutherischen Gemeinschaftsbewegung, in der die Befürworter und Gegner zur aufkommenden Pfingstbewegung in Deutschland in den Anfängen des 20. Jahrhunderts eine Einschätzung vornahmen.